Textil- und Flächendesign
English
HEALING TOUCH, WS 20/21
SZENARIO
Seit 2020 wissen wir, wie schnell man durch ein Virus voneinander getrennt werden kann. Eine Umarmung, ein Kuss auf die Wange, ein liebevolles Streichen über den Rücken – für viele ganz normal im Alltag, heute nicht mehr möglich. Dabei ist körperliche Nähe nicht nur ein schöne Art seine Liebe auszudrücken, sondern Grundvo- raussetzung für soziales Leben überhaupt. Doch was ist die Folge von anhaltender physischer Distanz? Das Hor- mon Oxytocin, das bei zwischenmenschlichem und kör- perlichem Kontakt ausgeschüttet wird, ist wesentlich an der Entwicklung von Empathie beteiligt und fördert so mittelbar auch unser Zusammenleben. Gleichzeitig hat es einen positiven Einfluss auf unser Immunsystem und andere Prozesse in unserem Körper. Wenn Körpernähe und damit auch Oxytocin ausbleiben, können wir das aufgrund der von uns entwickelten Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen zwar noch eine Weile kompensieren. Wird diese Mangelsituation† jedoch zu einem Dauerzu- stand, drohen wir auch unseren sozialen Zusammenhalt zu verlieren.
Forschungsfrage:
Wie kann körperliche Nähe erlebt werden, auch wenn die direkte Berührung nicht möglich ist?
KONZEPT
Dieser Schutzanzug bietet viel mehr als nur Schutz. Bei ihm geht es nämlich um unser natürliches Bedürfnis nach Berührung. In einer Gesellschaft der verhinderten Kontakte brauchen wir eine neue Ausrichtung auf das, was uns zusammenhält. Dabei kann Berührung nicht nur als eine Handlung, sondern vielmehr als ein Kommuni- kationsmedium gesehen werden, was fester Bestandteil in einer von Digitalisierung dominierten Welt sein sollte. Der technische Fokus liegt auf der Wiederbelebung der sensorischen Wahrnehmung. Wir sind schon zu lange physisch voneinander getrennt. Es wird Zeit, dass das Miteinander, auch wenn es nur imaginär im virtuellen Raum stattfindet, wieder zu einer sensorischen Realität wird.
Der Anzug besteht aus einem dünnen, sehr feinen technischen Stoff, der zugleich virenundurchlässig ist. Berührungen sind durch ihn fast genauso unmittelbar
zu spüren wie bei direktem Hautkontakt. An besonders berührungssensitiven Körperstellen ist zusätzlich ein atmungsaktives Plastik eingearbeitet, das auf der Auflenfläche mit kapazitiven Sensoren und innen mit Vibrationsmotoren versehen ist. Wird die Oberfläche dieser Partien berührt, aktiviert der Sensor die Vibrationsmotoren auf der Innenseite, und es entsteht ein aufregendes Gefühl auf der Haut. So können nicht nur verloren geglaubte Empfindungen wieder lebendig werden, sondern es eröffnen sich auch ganz neue Seiten des taktilen Erlebens.