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von Sarah Wolters
Autorinnen auf dem Theater „Marlene Streeruwitz“
ausgewähltes Stück: „Tolmezzo“
Das Stück „Tolmezzo“ bildet eine kleinbürgerliche Wiener Gesellschaft ab, die keine Sorgen zu haben scheint und sich jede Nacht vor einem Kaffeehaus zum gemeinsamen Trinken trifft. Zu ihnen gesellen sich Barbies als durch eine Vergewaltigung schwangere Opernball-Debütantinnen, Kens als heilige Sebastiane, drei alte Sängerknaben als Straßenmusiker und Spiderman, der die Oper liebt. Untermalt wird die Szene mit dem Geräusch der Güterzüge, die Richtung Auschwitz fahren. Die Figuren hängen in einem wiederkehrenden langwierigen Albtraum der Belanglosigkeit fest und scheinen diesen entweder nicht zu bemerken oder es ist ihnen egal.
Sie erzählen eine Sehnsucht nach dem “alten Wien”, das nur noch ein Klischee ist. Das Kaffeehaus ist genau das. Eine Fassade. Ein altes Bild ohne wirkliche Substanz. Denn eigentlich haben schon längst Barbie und Ken den Kampf um die Kultur für sich entschieden. Das Stück lebt von Zeichen, deren Wiederholung und kleinen Variationen. Trotz der Monotonie des kleinbürgerlichen Lebens entsteht ein groteskes Bild. Die Figuren kommunizieren praktisch gar nicht und trotzdem thematisiert Marlene Streeruwitz die Nichtauseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs, patriarchale Strukturen, Gewalt, die kapitalistische Übermacht und die Belanglosigkeit der Kunst und Kultur. Dabei trifft sie trotz mancher Übertreibungen eine wahren Kern und zwingt die Zuschauer:innen ihre eigene Position in diesem Bild zu erkennen und zu reflektieren.
Authors at the theater "Marlene Streeruwitz"
selected play: "Tolmezzo"
The play "Tolmezzo" depicts a petty-bourgeois Viennese society that seems to have no worries and meets every night in front of a coffee house to drink together. They are joined by Barbies as opera ball debutantes pregnant by rape, Kens as Saint Sebastiane, three old singing boys as street musicians and Spiderman, who loves opera. The scene is punctuated with the sound of freight trains heading for Auschwitz. The characters are stuck in a recurring protracted nightmare of irrelevance and either don't seem to notice it or don't care.
They narrate a longing for the "old Vienna" that is now only a cliché. The coffee house is just that. A facade. An old image without real substance. Because actually Barbie and Ken have long since decided the battle for culture in their favor. The play lives from signs, their repetition and small variations. Despite the monotony of petty bourgeois life, a grotesque image emerges. The characters practically do not communicate at all, and yet Marlene Streeruwitz addresses the failure to come to terms with Austria's National Socialist past, patriarchal structures, violence, capitalist supremacy and the irrelevance of art and culture. Despite some exaggerations, she hits the heart of the matter and forces the audience to recognize and reflect on their own position in this picture.